Abschied einer Sekretärin

Sie kommen ebenso oft vor wie es Chefs gibt: Sekretärinnen. Und die Zahl der Liebesgeschichten und Trauergeschichten über die Beziehung zwischen Chef und Sekretärin, über Dramen, Verrat und Treue bis zum Ende (der Dienstzeit) ist unzählbar in TV-Serien, im großen Gefühlskino, in gelber Presse und der eigenen Phantasie.

Und tatsächlich gibt es neben der Ehefrau, die bei ehrenvollen Abschieden geehrter Männer buchstäblich vereinseitigt wird („die Frau an seiner Seite") noch diese andere Frau an seiner anderen Seite: Seine Sekretärin.

Heute singe ich ein Loblied auf sie anlässlich des Abschieds von Ilse Körner. Und ich stimme das Lied gleich mit an für alle die Vorgängerinnen von ihr, die Barbara Kleißens dieser Welt, die Ingrid Kösters, die Sabine Siegs, und ich singe es gleich vielstimmig für jene Sekretärinnen, die gar nicht meine, sondern die der anderen sind: Die Frau Albrechts dieser Welt, die Frau Kriegers, die Frau Ahlborgs, die Frau Deppes...

In guten wie in schlechten Tagen" wird bei Eheschließungen formuliert. Die Formel gilt ebenso für „unsere" Sekretärin, die unsere All-Tagesstunden mehr teilt, als die meisten Ehefrauen die Partnerschaft. Zurück zu Frau Körner: „Wirklich sicher sind Sie erst, wenn Ihre Mitarbeiterin über 50 ist, verheiratet und die Kinder aus dem Haus...", empfahl uns ein Unternehmensberater. „Da lauern weniger dramatische Liebesgeschichten, da hasten keine jungen Mütter vom Büro zu Kids, da haste sie besser für Überstunden. Und über Fünfzig haste sie ganz für dich..." Die Sekretärin.

So possessiv - pauschal sehe ich dies nicht. Ich lebte auch mit Jüngeren als Frau Körner, Jüngere mit Kindern und Mann oder als Single mit Kindern und ohne – und es ging so, dass ich eben dieses Loblied singe.

Sekretärinnen müssen schaffen, was eigentlich nicht zu schaffen ist:

„Als Allererstes vermitteln Sie mir bitte Kracke in der AZ. Vorher faxen Sie meinen Redetext für heute Abend an Weymann, der nach mir spricht. Und denken Sie bitte gleich an die Nachbeschaffung von Mineralwasser für die Sitzung – die Kollegin aus Frankfurt trinkt ohne Gas. Und reservieren Sie zuallererst gleich den Tisch beim Italiener."

Das wären noch unmögliche Kleinigkeiten, zu denen die Kleiderkontrolle einschließlich Hosentürchenblick oder Schnuppertest gehört (zu viel Knoblauch beim Italiener?). Die Großigkeiten sind: Bedrückte Chefs aufzupäppeln, so dass Sie beim nächsten Besucher strahlen. Oder ihre kleinen Lügen mitzutragen („Er ist leider gerade nicht erreichbar") oder an Gedenktage der Hochzeit mit der offiziellen Frau an seiner anderen Seite zu erinnern. Oder ihn an die neuen Tabletten zu erinnern. Oder das überzogene Konto. Oder ihn vor Gefängnis zu bewahren, indem sie Fehler aus Reisekostenabrechnungen nimmt. Hinter all dem steht: Sichere Verlässlichkeit in miesen wie in dollen Zeiten. Dafür wird es nie das ausreichende Gehalt geben. Geschweige für alles Vorgenannte.

Danke, Ade und Erholung von mir, Frau Körner - und ein Willkommen für Frau Becker, die Neue

09.03.2004